Seit den achtziger Jahren wird verstärkt dazu aufgerufen, sich bürgerschaftlich zu engagieren. Denn, so heißt es - grob gesagt - in Zeiten knapper Kassen könne der Staat allen seinen Aufgaben nicht mehr gerecht werden. Diese Argumentation nennt man Kommunitarismus, und er ist so etwas wie der Kommunismus der Reichen. Denn sie zielt darauf ab, möglichst billig Arbeitskräfte zu beschaffen und vom eigenen Versagen abzulenken.

Der Kommunitarismus wurde in den achtziger Jahren (vornehmlich in den USA) als Gegenentwurf zum Liberalismus und als Antwort auf die Folgen der Globalisierung entworfen Doch die Kommunitaristen machen einige Denkfehler. Erstens ist keiner von uns "der Staat" oder "die Gesellschaft". Genauso wenig wie wir Papst sind. Jeder einzelne ist ein individuelles Wesen und insofern auch nicht verantwortlich für die Krise der Globalisierung, die er jetzt ausbaden soll. Etwa, wenn es darum geht die Kommunalfinanzen zu sanieren, und wo die Bürger derzeit bundesweit dazu aufgerufen werden, Sparvorschläge bei den Kämmerern einzureichen. Jetzt, wo die "Kacke am Dampfen" ist, entdecken die Politiker auf einmal die Bürgerbeteiligung. Na so was. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Diese Gutmenschen mit Gemeinsinn sind in Wahrheit gar nicht gut, sondern egoistische falsche Fuffziger, indem sie zum Lauscheppen und zum Umsonstarbeiten aufrufen. Es sind nämlich in der Regel diejenigen, die die Staatsfinanzen so an die Wand gefahren haben und nun dumme Deppen suchen, indem sie an ein kollektives Wirgefühl appellieren, um die Ausplünderung des Sozialstaates zugunsten der Reichen zu vertuschen. Jahr für Jahr gehen knapp 100 Milliarden der öffentlichen Hand in Deutschland an Geldern verloren, die seit dem Amtsantritt von Rotgrün von unten nach oben verteilt worden sind. Sei es Senkung des Spitzensteuersatzes oder für Körperschaften, die Abschaffung der Vermögenssteuer die Förderung von Minijobs oder fragwürdige öffentlich-private Partnerschaften - oder Subventionen dies alles hat den Fiskus und die Sozialkassen und damit die Gemeinschaft Milliarden gekostet. Während die Reichen immer stärker begünstigt wurden, verkommt die Infrastruktur und das Geld fehlt den Kommunen vor Ort. Daran hat die große Koalition genauso wie wenig geändert wie die nachfolgende schwarz-gelbe Regierung. Im Gegenteil.

Insofern komme keiner damit und beschwere sich, es sei kein Geld da. Im Gegenteil, es ist genug vorhanden - es muss nur endlich mal eingesammelt und gerecht verteilt werden! Und nun soll man denen, die das Geld vorsätzlich und leichtsinnig verteilt haben auch noch helfen? Das wäre ja Beihilfe zu Diebstahl (am Volksvermögen) ...


Selbstverständlich ist es notwendig, Menschen dabei zur Seite zu stehen, sich vor Katastrophen und Krisen besser schützen zu können. Absurd aber wird es, wenn das Bemühen um „Disaster Preparedness“ zur Rechtfertigung dafür herhalten muss, nichts mehr gegen die Ursachen von Krisen z.B. gegen den Klimawandel oder die wachsende soziale Ungleichheit tun zu müssen.

Thomas Gebauer, Geschäftsführer von medico international


Hier sagen wir "Nein!" und wehren uns entschieden. Kritische, engagierte und aufgeweckte Bürger, die es schon immer gab, sollten sich nicht als Reparateure für Sozialstaatsmarodeure hergeben, sondern aktiv am Erhalt und konsequenten Ausbau des Wohlfahrtsstaates mitarbeiten. Auch wenn wir derzeit noch nur wenige sind; höchste Zeit dafür ist es allemal, denn für diese soziale Errungenschaft haben in der Vergangenheit zu viele Menschen gekämpft. Ein "Aufstand der Anständigen" (oder anständiger Aufstand?) muss also her, um diesem räuberischen Treiben ein Ende zu setzen.

Gleichzeitig aber betonen wir auch die Zuständigkeit des Individuums. Denn auf der anderen Seite führt das im kommunitaristischen Sinne verstandene Bürgeschaftliche Engagement dazu, dass den Menschen zu nehmend das Gefühl für die Zuständigkeit abhanden geht bzw. abgenommen wird und eine Bedienermenatalität anerzogen wird, die jegliches Service vor allem aber auch "soziales Unternehmertum" für sozial Schwache oder Erwerbsuchende verhindert. Denn wer sagt eigentlich, dass Bedürftige alles für lau kriegen sollen und keine Preise zahlen müssen? Damit sie das gesparte Geld bei Lidl, Aldi und Co. ausgeben? Sehr sinnig.

Daher sollte das Prinzip: "Paragraph eins, jeder macht Sein´s" gelten. Oder besser: "Wer kann, der soll!". Wer heute in Deutschland von Hartz IV lebt, der hat zwar keine großen Reichtümer und kann keine großen Sprünge machen, aber er verhungert nicht und hat in der Regel auch ein Dach über dem Kopf. Summa summarum erhält er rund 750,00 € netto ausgezahlt. Das ist nicht viel (wirklich nicht?), aber sozusagen leistungslos. Und da kann man es Leuten auch zumuten, dass sie, wenn sie etwas Plus haben wollen, selber etwas dafür tun. Sei es die Mitgliedschaft in Sportvereinen oder, oder, oder ... : Nichts spricht dagegen, wenn sie für eine Leistung, die sie erhalten, auch arbeiten. Das müssen Millionen andere Menschen auch.

Machen Sie doch einfach mal den Praxistest: Gehen Sie in die Kneipe und fordern lauthals ein Freibier, weil Sie Hartz-IV-ler oder Ehrenamtler sind. Was meinen Sie, was der Wirt Ihnen dann sagt? "Wenn für umme, dann auf Omme", antwortet er höchstwahrscheinlich, zeigt Ihnen seine Hausordnung und schmeißt sie raus. Aber achtkantig.

In diesem Sinne rufen wir alle preisbewussten Menschen unter dem Motto "Unruhe ist die erste Bürgerpflicht!" zu mehr gesellschaftskritschem politischen Engagement und profesionellem, ährenamtlichem Handeln auf, das auch ordentlich honoriert wird, damit man ebenso davon leben kann.

 


"Mich regt die Tatsache auf, dass sich niemand aufregt."

Dieter Hildebrandt


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